Grüne Baden

Leserbrief: Steuerpaket: eine skandalöse Ungerechtigkeit

Nächste Woche entscheidet der Grossrat über die Unterstützung eines Kantonsreferendums gegen das Steuerpaket von National- und Ständerat. Es wird Einnahmeausfälle von 1.5 Mrd. CHF beim Bund und nochmals 1.5 Mrd. CHF bei den Kantonen und Gemeinden verursachen, 124 Mio. davon allein im Kt. Aargau.

Das allein ist schon Grund für eine kritische Ueberprüfung dieses Pakets. Ein ausgewachsener Skandal ist aber die Begünstigung der Hauseigentümer, die sich in diesem Paket hinter der Familiensteuer verbirgt.

An sich ist ein Systemwechsel bei der Besteuerung von Wohneigentum richtig. Aber die bürgerliche Mehrheit hat zwar den Eigenmietwert abgeschafft, den Abzug der Schuldzinsen aber weitgehend stehen gelassen. Er hat sogar noch weitere Abzugsmöglichkeiten geschaffen: wer es vermag kann während 10 Jahren je 12’000 CHF für Bausparen vom Einkommen abziehen und zudem sämtliche Ausgaben für den Unterhalt, die 4000 CHF pro Jahr übersteigen.

Wer profitiert von den neuen Regelungen?

Nehmen wir Herrn Protzle mit einem Einkommen von 150’000 CHF und entsprechend luxuriösem Einfamilienhaus im Wert von 1.25 Mio. CHF. Was schenkt ihm der Staat? Er kann zuerst 120’000 CHF vom Einkommen für Bausparen abziehen, dann insgesamt 105’000 CHF für Hypothekarzinsen und während der vielleicht 40 Jahre, die er in diesem Haus leben wird, nochmals ca. 250’000 CHF für Unterhalt. „Gesamtwert“ aller Abzüge: ca. 470’000 CHF. Mit seinem hohen Grenzsteuersatz von vielleicht 30% schenkt ihm der Staat also mit der neuen Regelung nicht weniger als 140’000 CHF.

Anders Frau Knapp mit ihrem kleineren Einkommen von vielleicht 70’000 CHF. Sie kann sich nur eine Wohnung von 300’000 CHF leisten und vorher nur 6000 CHF pro Jahr für das Bausparen auf die Seite legen. Für Zinsen kann sie über all die Jahre nur insgesamt 70’000 CHF abziehen und für den Unterhalt gar nichts, weil ihre Aufwendungen unter die Grenze von 4000 CHF pro Jahr fallen. Insgesamt belaufen sich ihre Abzüge auf 130’000 CHF. Weil bei ihrem Einkommen der Grenzsteuersatz vielleicht bei nur 10% liegt, schenkt der Staat ihr also insgesamt 13’000 CHF.

Resultat: der wohlhabende Herr Protzle erhält mit 140’000 vom Staat mehr als das 10-fache von Frau Knapp. MieterInnen erhalten gar nichts. Wer zu kleine Einkommen für Wohneigentum hat ist selbst schuld.

Diese Wohneigentümerförderung ist die grösste Giesskannen-Subvention, die es gibt, und sie giesst fast ausschliesslich die Reichen. Leute mit mehr als 100’000 CHF werden mit oder ohne Förderung fast alle irgendwann Wohnungs- oder HauseigentümerInnen werden. Das Ziel, Wohneigentum breiter zu streuen, wird deshalb trotz horrenden Kosten schlicht verfehlt. Mit der Milliarde CHF, die nur Kantone und Gemeinden, und den 300 Mio. CHF, die der Bund auf diese Art vor allem den wohlhabenden HauseigentümerInnen jährlich in den Rachen schieben, könnte man Jahr für Jahr 2600 bedürftigen Familien eine Wohnung für 500’000 Franken schenken. Jawohl: schenken! Das wären dann wirklich alles neue HauseigentümerInnen.

Nicht nur die Linke, sondern auch besonnene Bürgerliche haben vor diesen Konsequenzen gewarnt: der ehemalige Berner Finanzdirektor und SVP-Ständerat Lauri, die FDP-Ständeräte Marty, Langenberger, Spoerry und Schiesser – und Bundesrat Kaspar Villiger: „Ich habe gesagt, dass der Wohneigentumsteil (des Steuerpakets, GL) aus meiner Sicht nicht zu verantworten ist“ (TagesAnzeiger vom 20.6.2003). Die Mehrheit der Bürgerlichen hat schlicht durchgedreht.

Die wenig Privilegierten Leute in diesem Lande sind gutmütig und leidensfähig. Wie lange noch? Wenn dem Aargauer Grossrat auch nur etwas an Gerechtigkeit liegt, dann stimmt er nur schon aus diesem Grunde dem Kantonsreferendum zu.

Grüne Liste Baden

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